KALENDERBLATT JANUAR 2012

Der Chemiker Paul Walden

Das von E. Tschirch angefertigte Gemälde Paul Waldens ist verschollen (Foto: Universitätsarchiv Rostock).
Das von E. Tschirch angefertigte Gemälde Paul Waldens ist verschollen (Foto: Universitätsarchiv Rostock).

„Das Leben in Rostock war ruhig und beschaulich. Kirche, Tore und Türme, winklige Gassen und Häuser der Stadt hatten ihr altertümliches Gepräge bewahrt. Das Meer war leicht zu erreichen, und Warnemünde mit seinem breiten Sandstrand und den schattigen gepflegten Wegen des Kurparks erinnerte mich an die alte Heimat. Im Sommer genoß ich dort die kräftige Seeluft und freute mich von den Galerien des Leuchtturms aus an den weiten Rundblicken.“

So erinnert sich Paul Walden, dessen Todestag sich zum 55. Mal jährt, seiner Zeit in Rostock.


Paul Walden wurde 1863 in einem kleinen Ort in der Nähe von Riga, im damaligen Livland, geboren. Er studierte 1882 bis 1889 am Polytechnikum in Riga, das Studium schloss er als Ingenieurchemiker ab. Besonders beeindruckte Walden sein Lehrer Wilhelm Ostwald (1853-1932), bei ihm promovierte er auf physikochemischem Gebiet. Walden widmete sich aber auch Problemen der organischen Chemie und beobachtete die Konfigurationsumkehr  Substitutionsreaktionen an stereogenen Zentren. Am Polytechnikum in Riga wurde er 1899 zum ordentlichen Professor berufen. 1919 verließ Walden mit den abziehenden deutschen Truppen Riga und fand Unterkunft im Flüchtlingsheim Remplin bei Malchin, wohin seine Familie schon früher gereist war. An der Universität Rostock leistete er neben elektrochemischen Forschungen vieles in der Lehre, organisierte Tagungen und fuhr zu Vorträgen im In- und Ausland. 1934 emeritiert, blieb er  wissenschaftlich aktiv und wandte sich bevorzugt Fragen der Chemiegeschichte zu. Einige seiner chemiehistorischen Arbeiten zeigen, dass Walden sich nun  überzogen dem Deutschtum und der nationalistischen Interpretation chemiegeschichtlicher Sachverhalte zuwandte. In den Bombennächten des Aprils 1942 wurde Waldens Heim in der Rostocker Friedrich-Franz-Straße (heute August-Bebel-Straße) völlig zerstört. Walden und seine Frau konnten sich retten, doch Walden stand mit 79 de facto vor dem Nichts. Das Ehepaar verließ Rostock, fand Unterschlupf in Berlin und Frankfurt/Main, 1947 schließlich in Gammertingen bei Tübingen. Walden setzte seine chemiehistorischen Arbeiten fort und nahm trotz seines hohen Alters – sicherlich aus materieller Not heraus – in Tübingen von 1947 bis 1953 eine Professur für Geschichte der Chemie wahr. Am 22. Januar 1957 verstarb Paul Walden.

Gisela Boeck

Quellen

[1] P. Walden: Wege und Herbergen: Mein Leben. Steiner, Wiesbaden, 1974.

[2] Eintrag zu Paul Walden im Catalogus Professorum Rostochiensium: http://purl.uni-rostock.de/cpr/00002667