KALENDERBLATT JANUAR 2015

Spuren Rostocker Geologiestudenten

Von 1878 bis 1968 existierten an der Universität Rostock auch die Fachrichtungen Geologie/Paläontologie und Mineralogie. Sie wurden vertreten durch Franz Eugen Geinitz (1854-1925), Friedrich Schuh (1889-1981), Carl CorrensRoland Brinkmann (1898-1995), Kurd von Bülow (1899-1971) und Ingeburg Schaacke (1910-1966).

Für die 1950er und 1960er Jahre weist das Matrikelportal der Universität Rostock 167 Immatrikulationen für Geologie (1947-1965) und sieben für Mineralogie (1954-1958) auf. Leider sind die Eintragungen überwiegend namenlos. Deshalb sollen hier kurze Ausführungen zum Geologiestudium in Rostock gemacht und einige wenige ehemalige Studierende der Geologie und ihre Lebenswege vorgestellt werden.

Das Geologiestudium dauerte fünf Jahre. Im vierten Studienjahr musste ein Hochschulwechsel an eine andere Universität erfolgen, um sich in Rostock nicht gelehrte Spezialfächer wie z. B. Geophysik anzueignen. Die meisten Studierenden gingen an die Bergakademie Freiberg. Die Diplomarbeiten wurden dann wieder in Rostock angefertigt, deren Themen ergaben sich aus den Forschungsschwerpunkten des Instituts.

Für die Erforschung der Geologie des Flachlandes von Mecklenburg-Vorpommern spielte von Bülows Monographie Abriß der Geologie von Mecklenburg (1952) eine überaus wichtige Rolle. Sie bildete die wissenschaftliche Grundlage für die gezielte groß-maßstäbliche Oberflächen-Kartierung (1:25 000) und in der Folge für eine verbesserte komplexe Rohstoffsuche, -erkundung und -nutzung.

Die küsten-geologischen Arbeiten konzentrierten sich auf die Kartierung der Kliffs an der Ostseeküste zwischen Usedom und Boltenhagen. Auf dieser Grundlage wurden Erkenntnisse für den grundlegend verbesserten Küstenschutz gewonnen. Diese basierten auf von Bülows Monographie Allgemeine Küstendynamik und Küstenschutz an der südlichen Ostsee zwischen Trave und Swine (1954). Darüber hinaus stellte die Selenologie, die Geologie des Mondes,  ein besonderes Spezialgebiet von Kurd von Bülow dar. [1]

Neben den Pflichtvorlesungen, Seminaren und Übungen absolvierten die Studierenden mehrwöchige Exkursionen und Kartierungspraktika in der Umgebung von Rostock sowie im Harzvorland bei Ballenstedt und südlich davon im Harz. Diese Praktika haben lange nachgewirkt: Einige Rostocker Absolventen haben sich noch viele Jahre – auch nach Schließung des Rostocker Instituts - in Ballenstedt getroffen.

Die Rostocker Geologiestudenten hatten sogar ihre eigene Hymne, die von Nils Rühberg (1940-2002) ersonnen worden war. Rühberg hat sein Studium 1960 in Rostock begonnen, nach dessen Abschluss war er  im VEB Geologische Forschung und Erkundung Schwerin bzw. als stellvertretender Leiter des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Schwerin tätig. In der letzten Strophe der Hymne heißt es:

Wir nahmen – oft im Dauerlauf  –
Am Kliff und im Gelände
Die Spur der Erdgeschichte auf
Vom Anfang bis zu Ende.
Am Ende aber war wie hier
rezenter Brauch gepflogen.
Was wär´ ein Alluvium ohne Bier
Für Rostocks Geologen? [2]

Um Kurd von Bülow und die von ihm geleiteten Praktika im Harz ranken sich viele Anekdoten. Es wird erzählt, dass während der Kartierpraktika am Sonntag geologische Spaziergänge durchgeführt wurden:

Auf dem Programm stand das Aufsuchen der „Feuersteinlinie“  im Unterharz. Wer im Grenzbereich der Inlandvereisung einen Feuerstein fand, dem wurde zur Belohnung von Prof. von Bülow ein Stück Schokolade in Aussicht gestellt (er hatte in seiner Marschverpflegung immer ein paar kleine Überraschungen dabei). Da sich das Ritual alljährlich mit dem jeweils jüngsten Semester wiederholte, wussten wir Bescheid. Vorsorglich hatten wir ein paar Feuersteine von der Küste mitgenommen. Als sich die vorgezeigten „Belegstücke“ häuften und der Schokoladenvorrat zur Neige ging, stutzte von Bülow und sagte: „Meine Herren, zeigen Sie mir mal Ihre Hosentaschen.“ [2]

Ein Bild vom Arbeitsalltag der Geologen in der DDR kann man sich anhand der Erzählungen und Romane von Günter Ross (geb. 1934 in Thale) machen. Ross hat auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur erworben und dann in Rostock studiert. Nach dem Abschluss der Ausbildung in Zwickau und Greifswald wurde Ross als Geologe in Schwerin tätig. Neben wissenschaftlichen Publikationen entstanden die Sammlung von Erzählungen Die fernen Welten des Hermann Kiekbusch über Fischer, Bohrleute und viele andere Menschen, die Ross bei seiner Arbeit begegnet sind, sowie die Romane Windflüchter und Mittsommer.

Von 1957 bis 1962 studierte Anselm Kühl (geb. 1939 in Stettin) in Rostock und Freiberg. Er wurde Objektgeologe beim VEB Geologische Forschung und Erkundung Schwerin und führte in diesem Zusammenhang Erkundungsarbeiten auf Eisenerz und Tiefenkartierungen in West-Mecklenburg, Nord-Brandenburg und in der Altmark durch. Später baute er während seiner 19-jährigen Tätigkeit das Arbeitsgebiet des Hauptgeologen der VVB Zement/VEB Zementkombinat in Dessau auf und war für 24 Mittel- und Großtagebaue zwischen Rügen und Eisenach verantwortlich. Im Rahmen einer außerplanmäßigen Aspirantur an der Bergakademie in Freiberg verfasste er seine Promotionsschrift zum Thema Mathematische Modellierung der Kreidekalk/Kieselkreide-Lagerstätte Löcknitz.  Der Promotion von  1981 folgte dann 1991 die Habilitation über die Modellierung sedimentärer Lagerstätten. Bis 2004 war Anselm Kühl als Hochschullehrer an der TU Bergakademie Freiberg tätig. Auch heute noch führt er im Rahmen des studium generale die Lehrveranstaltung Die Zeit im Verständnis der Naturwissenschaften durch.

Ich danke Herrn Priv.-Doz. Dr. Anselm Kühl sehr herzlich für zahlreiche Hinweise und Informationen über das Geologiestudium in Rostock.

Gisela Boeck

Pflanzen-geographische Exkursion 1960 nach Tessin bei Rostock unter Leitung von Prof. Kaussmann; er demonstriert als Glazial-Relikt eine sog. Rauschbeere (Foto: A. Kühl).
Kartierungs-Praktikum Alt-Paläozoikum Harz des 6. Semesters 1960, Exkursion mit Doz. Dr. Ludwig zur Rosstrappe (Foto: A. Kühl).
Prof. Dr. Kurd v. Bülow macht auf einen der seltenen Feuersalamander aufmerksam (Foto: A. Kühl).

Quellen

[1] K. von Bülow: Geschichte des Geologisch-paläontologischen Instituts der Universität Rostock. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, 15 (1986), Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe, Heft 7/8, S. 867-874.
[2] K. Hoth, G. Schubert (Hrsg.): Petrefakten – Anekdoten und sonstige Begebenheiten aus mehr als siebzig Jahren geologischer Geschichte – eine Zeitgeschichte in kleinen Portionen. Störr, Ostklüne, 2007.