KALENDERBLATT JULI 2015

Peter Johann Hecker – Mathematikprofessor, Wissenschaftsorganisator und Visionär

Kupfermünze zum 50-jährigen Amtsjubiläum (Foto: [3]).

Am 12. Dezember 1828 wird mit ungewöhnlich großem Aufwand und öffentlicher Anteilnahme das 50-jährige Amtsjubiläum des hochbetagten herzoglichen Professors für Mathematik und Seniors der Universität Peter Johann Hecker begangen. Großherzog Friedrich Franz I. (1756 – 1837) lässt extra für ihn 2 Gold-, 50 Silber- und 50 Kupfermünzen prägen und durch Vizekanzler Carl Friedrich von Both (1789 – 1875) überreichen. Etwa 40 Jahre später wird Hecker auf „allerhöchsten Wunsch“ (vermutlich Both) mit einem Medaillon-Bild in der Aula des neuen Universitätsgebäudes als Vertreter der Philosophischen Fakultät verewigt.

Derartige öffentliche Ehrungen entsprachen dem eher selbstlos, in großer Bescheidenheit und Frömmigkeit wirkenden Hecker so gar nicht. Heute wird Heckers einzige mathematische Publikation zur Verallgemeinerung des Zahlbegriffs und der Rechenoperationen auf negative Zahlen allerdings als wegbereitend bezeichnet [2]. Achtung und Beachtung erwarb sich der Professor durch seine als mitreißend beschriebene Lehre und sein rastloses Wirken für das Wohl der Universität und deren Kassen in häufiger Auseinandersetzung mit der Landesregierung. Aber auch seine regelmäßigen populär­wissen­schaftliche Artikel für die „Landbevölkerung“, die Errichtung von Blitzschutzanlagen und die Verantwortung für den mathematisch-astronomischen Teil des Herzoglich-Mecklenburgisch-Schwerinschen Staatskalenders und aller anderen Kalender des Landes – welche er zuverlässig und beispielhaft von 1788 bis 1832 wahrnahm – machten ihn für die Öffentlichkeit zur Institution.

Peter Johann Hecker (Foto: [4]).

Hecker, am 18.10.1747 im pommerschen Stargard geboren, war in Berlin an der ökonomisch-mathematischen Realschule seines berühmten Onkels Johann Julius Hecker (1707 – 1768) pietistisch erzogen worden, ging nach Halle zum Studium der Theologie, Physik und Mathematik (die er bei Johann Andreas von Segner (1704 – 1777) hörte ) und übernahm ab 1767 einen Lehrvortrag für Mathematik am ersten preußischen Lehrerseminar, das zu o. g. Realschule gehörte. 1778 erhielt der nichtpromovierte Hecker völlig unverhofft durch Friedrich den Frommen (1717 – 1785) den Ruf an die Friedrichs-Universität nach Bützow als Nachfolger von Wenzeslaus Johann Gustav Karsten (1732 – 1787). Die notwendige Promotion in der Mathematik erfolgte erst 1779! Die Wiedervereinigung mit der Rostocker Rumpf­universität (1789) beendete 10 Jahre provinzieller Dürftigkeit in Bützow. Versprechungen der Landesregierung an Hecker zur Verbesserung der Bedingungen für Lehre und Forschung  blieben nahezu unerfüllt, was den ansonsten so duldsamen Staatsdiener mehrfach zu deutlichen Schreiben an den Landesherrn veranlasste.  Hecker forderte dabei nicht nur die Versprechen z. B. zur Errichtung eines Observatoriums und zur Anschaffung nötiger astronomisch-physikalischer Instrumente ein, sondern stellte Forderung nach dringenden Reformen im Interesse der Entwicklung der Universität und des Landes. So kritisiert er die extreme Rückständigkeit Mecklenburgs im Messwesen, insbesondere das Fehlen trigonometrischer Messungen und deren Eintragungen in Spezialkarten. Gleichzeitig entwickelt er in diesem Schreiben einen Wirtschaftsplan zur Anschaffung und Erhaltung physikalischer Instrumente. In Kenntnis der Kassenlage - er war mit der Verwaltung diverser akademischer Kassen betraut - ergänzt er, dass „bey der hoffentlich baldigen Vereinigung der des Fiscus ducalis mit dem bisherigen academischen Fiscus sich hierzu die Möglichkeit biete, sonst wird in den nächsten 20 Jahren die Unvollkommenheit mecklenburgischer Karten nicht abgestellt werden können …“. Tatsächlich sollte es über 80 Jahre dauern, und so borgte er sich astronomische Instrumente von Graf Friedrich Hahn (1742 – 1805), z. B., um selbst die geografische Breite Rostocks zu bestimmen  (54 Grad 5 Minuten und 45 Sekunden). 1818 ersuchte er den Herzog erneut um die Verbesserung der instrumentalen Ausstattung und die Erweiterung der Physik-Ausbildung. Bezug nehmend auf die Erfindungen der Epoche und die rasche Entwicklung der Physik, schlug er die Einrichtung einer Dozentur für Physik vor. 

Was blieb von seinen weitsichtigen Forderungen? Ein Fond zum Ankauf astronomischer Instrumente wurde eingerichtet, das 1835 errichtete kleine Observatorium konnte der fast erblindete Hecker nicht mehr nutzen. 1818 verbot der Herzog sogar den Theologie-Studenten das Studium der Mathematik und Physik. Die akademischen Kassen konnten erst 1834 durch den Vizekanzler der Universität Both vereinigt werden. 1853 begann die Neuvermessung Mecklenburgs unter Friedrich Paschen (1804 –1873) durch Triangulation nach Gauß, die erst 1882 abgeschlossen wurde. Der erste eigenständige Lehrstuhl für Physik wurde erst 1874 für Ludwig Matthiessen (1830 – 1906) geschaffen. Peter Johann Hecker starb am 17. September 1835 in Rostock. Die Professur ging an seinen Schüler Hermann Karsten (1809 – 1877).

Andreas Straßburg

Quellen

[1] A. Straßburg: Peter Johann Hecker – Mathematikprofessor, Visionär und rastloser
Wissenschaftsorganisator. In: A. Schade und M. Radieck (Hrsg.): Rostocker Zorenappels: Stadt-Schreiber-Geschichte(n), Jg. 2, 2008, S. 55 – 58.
[2] G. Schubring: Conflicts between Generalization, Rigor and Intuition. Number Concepts Underlying the Development of Analysis in 17th-19th Century France and Germany. Sources and Studies in the History of Mathematics and Physical Sciences. Springer, New York, 2005.
[3] Kupfermünze: http://www.sixbid.com/images/auction_images/1254/1150234l.jpg
[4] Eintrag zu Peter Johann Hecker im Catalogus Professorum Rostochiensium: http://cpr.uni-rostock.de/metadata/cpr_person_00001130.