KALENDERBLATT OKTOBER 2015

Eine Ära endet: Die Zeecksche Physik-Villa 1957 – 2015

Eingangstür zur Physik-Villa (Foto: W. Göcke).

Am 24. Juni 2015 haben sich die Autoren dieses Kalenderblattes auf den Weg in die Villa August-Bebel-Str. 55 begeben, um das Innere der Physik-Außenstelle zu besichtigen. Dieser Zustand, dokumentiert durch eine Reihe von Fotos, ist im Sommer des Jahres 2015 endgültig Geschichte.
Der Umzug des Instituts für Physik, auch der Röntgenphysik-Villa, in die Albert-Einstein-Str. 24 findet statt.
Die Zeecksche Villa (erbaut 1909, Architekt: Paul Korff) erhält die Physik im Jahre 1957 als Außenstelle, nachdem großzügige Planungen 1955 zum Bau von drei Physikalischen Instituten in der Rostocker Innenstadt gescheitert sind (Experimentelle Kernphysik unter Paul Kunze, Institut in Dresden realisiert; Theoretische Physik unter Hans Falkenhagen, kein Institutsgebäude in Rostock fertiggestellt; Angewandte Physik). Zum Wintersemester 1958/59 wird Gerhard Becherer aus Halle/Saale als Nachfolger von Kunze nach Rostock berufen. Er richtet das um den Außen-Standort August-Bebel-Str. 55 erweiterte Physikalische Institut zur Festkörperstrukturforschung mittels Röntgenstrahlung ein. So entsteht die Bezeichnung Röntgenphysik-Villa [1].

In der Villa steht die Strukturanalyse von Festkörpern und Gläsern mittels Röntgen-Großwinkelbeugung und Röntgen-Kleinwinkelstreuung im Mittelpunkt. Die ersten Promotionsarbeiten 1968 zu dieser Thematik sind:

Ottomar Düring (1930 – 2001): Bestimmung der Struktur von Siliziumoxyhydrid, Methyl- und Äthyl-Kieselsäureanhydrit durch Vergleich berechneter und experimenteller radialer Elektronendichteverteilungskurven (02.02.1968)

Gerhard Herms (geb. 1932): Untersuchungen und Geräteentwicklungen zum Filterdifferenzverfahren und für den Streukurvenvergleich (22.03.1968)

Helmut Müller (1928 – 2006): Röntgenoptische Untersuchungen an Realkristallen (30.04.1968)

Wie überall in der ehemaligen DDR werden viele Geräte selbst gebaut, so auch eine Eigenbau-Kratky-Kamera (unteres Foto links) von Rainer Kranold (geb.1943), an der er die Röntgenkleinwinkelstreuung von Gläsern misst. Nach 1990 werden in der Physik-Villa die Forschungen zur experimentellen und angewandten Physik fortgesetzt. Es erfolgen Untersuchungen zur Materialforschung (seit 1996 Eberhard Burkel, Physik neuer Materialien), zur Röntgenstrukturanalyse und Glasphysik (seit 1992 Rainer Kranold) sowie zur angewandten Physik von Nano- und Biomaterialien (seit 1992 Thomas Gerber).

Links: Blick in den Wintergarten, als Sitzungsraum genutzt. Mitte: Dr.U. Hoppe (l.) mit den Physik-Studenten K.-U. Götz, Ch. Voß, H. Viemann sowie Dr. W. Göcke (r.) im Seminarraum. Rechts: Eine Fernwärmeleitung verschandelt den Hof der Villa
(Fotos: R. Mahnke).

Links: M. Stebner wertet Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops aus (Foto vom 24.06.2015, R. Mahnke). Mitte: Vakuum-Bedampfungsanlagen. Rechts: Wasserkühlbecken im Keller (unterhalb des Wintergartens) für den geschlossenen Kühlwasserkreislauf der Röntgen-Großgeräte (z. B. für die Röntgen-Drehanoden-Anlage) (Fotos: W. Göcke).

Links: Zwei Eigenbau-Kratky-Kameras (im Vordergrund die ausgebaute Röntgen-Röhre) zur Messung der Röntgen-Kleinwinkelstreuung. Mitte: Eine Kratky-Kamera von ca. 1995 mit integrierter Röntgen-Röhre. Rechts: Horizontal-Zählrohrgoniometer für die Registrierung der Röntgen-Großwinkelbeugung (Fotos: W. Göcke).

Reinhard Mahnke, Wolfhart Göcke

Quelle

[1] W. Göcke: Physik in der Zeeckschen Villa. In: R. Mahnke, F. Mitschke: 100 Jahre Physikalisches Institut 1910 – 2010. Beiträge zur Geschichte der Universität Rostock, Heft 28, 2010, S. 84–89.