KALENDERBLATT JULI 2016

Sammlung mathematischer Modelle

"Die Universität Rostock verfügte vom 16. Jahrhundert bis mindestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts über eine Sammlung mathematischer Instrumente und Geräte, die im Jahre 1835 die Bezeichnung Mathematisches Kabinett und Astronomisches Observatorium erhielt. Über das genaue Wesen der Sammlung sowie über ihr weiteres Schicksal liegen derzeit keine Informationen vor."  [1]

Als „mathematisches Instrumentarium“ bezeichnete man bis zum 19. Jahrhundert mathematisch-physikalische Instrumente, die  zur Verbesserung der Anschauung in universitären Vorlesungen, zum Erstellen von General- und Spezialkarten, zur Beförderung der Schifffahrt und zu astronomischen Beobachtungen dienten, im Besitz der Fakultät waren, zu diesen Zwecken geliehen oder verliehen wurden. So ist es in den  akribisch aufgelisteten Rechnungen der akademischen Instrumentenkasse für mathematisch-physikalische Geräte für die Jahre 1830-34 beschrieben, die in dieser Zeit von Peter Johann Hecker und Hermann Karsten geführt wurden  [2]. Nach heutigem Verständnis handelte es sich dabei überwiegend um astronomisch-physikalische Geräte wie ein astronomisches Fernrohr, ein Pendel, einen Globus, eine Elektrisiermaschine, Magnete, Thermometer sowie Barometer.

Maßgeblich durch das 1872 von Felix Klein (1849-1925) vorgelegte Erlanger Programm wurde die Entwicklung, Bereitstellung und Verbreitung mathematischer Modelle zur Geometrie und Analysis befördert und „als belebendes und das Verständnis des Vortrages förderndes Element bei den Vorlesungen“ etabliert  [3].

Vitrine mit Sammlungsobjekten im Beratungsraum des Instituts (Foto: A. Straßburg).

In Rostock begann die Anschaffung von  Modellen Anfang des 20. Jahrhunderts unter Otto Staude. Trotz dürftiger Kassen wurden diverse, vorwiegend aus Gips hergestellte mathematische Modelle der Firma Martin Schilling (Leipzig) angeschafft. Die Entwürfe stammten von Alexander von Brill (1842-1935). Staude entwarf und baute aber auch eigene Modelle oder ließ diese durch Studenten fertigen. Mindestens seit 1918/19 bestand so eine mathematische Modellsammlung, die in speziellen Modellschränken aufbewahrt und unter Robert Furch (1894-1967) ergänzt wurde  [4]. Sie umfasste Gips-, Draht- und Kartonmodelle mathematischer Körper, Flächen und Funktionen.

In den  50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden unter Adam Schmidt (1908-1990)  und Wolfgang Engel (1928-2010) weitere Modelle zur Elementarmathematik,  darstellenden Geometrie, analytischen und projektiven Geometrie, Differenzialgeometrie, Topologie, Differenzial- und Integralrechnung und Funktionentheorie über die Berliner Rudolf-Stoll-KG bezogen, welche Modelle  nach Entwürfen des II. Mathematischen Institutes der Humboldt-Universität fertigte.

Nach Übernahme mathematischer Modelle der Pädagogischen Hochschule Güstrow (1992) und Auszug der Mathematik aus dem Universitätshauptgebäude (2009) liegen die meisten Objekte in Umzugskartons und nicht inventarisiert im Keller des Instituts. Einige wenige Objekte findet man im Didaktik-Kabinett und in Schauschränken.

Der Fundus an mathematischen Modellen und Geräten besteht gegenwärtig aus weit mehr als 100 Objekten: u. a. 28 Gips-, 12 Draht- und 9 Kartonmodelle nach Brill, 12 Fadenmodelle, Holzmodelle, Kunststoffmodelle, weiterhin 10 mechanische und elektrische Rechenmaschinen (darunter ein Burkhardt‑Arithmometer, gebaut um 1900), diverse Planimeter (siehe Titelbild KB 2014) und Zeichen­geräte.

Modelle zur Verbesserung des Verständnisses mathematischer Inhalte wurden durch moderne digitale Visualisierungsmöglichkeiten fast vollständig aus den Lehrveran­staltungen verdrängt. Wenn sie trotzdem ergänzend eingesetzt werden, unterliegt man auch heute beim „Begreifen“ ihrer Faszination.

Mit dem Umzug an einen endgültigen Standort hofft das Institut auf Einrichtung eines Modellraums zur würdigen Präsentation dieses Schatzes.

Andreas Straßburg

Rotationsfläche der Traktrix. [3], S.144, Nr. 230 (Foto: ITMZ).
"Notquartier" für Modelle im Keller des Instituts (Foto: A. Straßburg).

Quellen

[1] Sammlungsportal der Universität Rostock: sammlungen.uni-rostock.de

[2] Universitätsarchiv Rostock, 1830 – 34 Rechnungen der akademischen Instrumentenkasse für mathematisch-physikalische Instrumente. Signatur RXI B.2.2.

[3] M. Schilling (Hrsg.): Catalog mathematischer Modelle. Leipzig, 1911, 7.Auflage.

[4] Universitätsarchiv Rostock, Kurator-Jahresberichte 1903 –1944, UAR K083-0772.1.