KALENDERBLATT MAI 2016

Das Chemikerehepaar Mathilde und Johannes Klosmann

Mathilde Haß wurde am 25. März 1896 als Tochter des Gymnasial-Oberlehrers Dr. Heinrich Haß und seiner Ehefrau Marie geb. Roskowski in Duisburg geboren. Nach dem Besuch der Töchterschule in Duisburg erwarb sie Ostern 1915 am dortigen Realgymnasium das Reifezeugnis. Am 1. Mai 1915 immatrikulierte sie sich an der Universität Rostock im Studienfach Chemie und wurde am 3. März 1917 exmatrikuliert. Am 20. April 1917 immatrikulierte sie sich erneut in Rostock für das gleiche Fach und wurde zum 5. November 1919 exmatrikuliert. Seit 1916 ist Mathilde Haß mit ihrer Familie in den Rostocker Adressbüchern unter den Adressen Patriotischer Weg 116, Große Mönchenstraße 24 und Lloydstr. 4 nachweisbar. Welche Beweggründe es für die Übersiedlung von Duisburg ins mecklenburgische Rostock während des 1. Weltkriegs gab, konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. Vermutlich hat Mathilde nach der Wahl ihres Studienorts ihre Mutter und die Geschwister nach Rostock nachgeholt.

Mathilde Haß legte als zweite Frau am Chemischen Laboratorium in Rostock am 1. August 1919 bei Paul Pfeiffer das Verbandsexamen unter der Nummer 11115 ab. Am 28. Februar 1920 bestand sie - dann bereits als Mathilde Klosmann - die Hauptprüfung für Nahrungsmittelchemiker mit dem Prädikat „sehr gut“. Am 24. März 1920 wurde sie mit dem Prädikat „magna cum laude“  noch unter dem Referat von Pfeiffer mit ihrer Dissertation zum Thema „Neutralsalzverbindungen der Aminosäuren“ zum Doktor der Philosophie promoviert. Damit war sie die erste Frau überhaupt in der Geschichte der Universität Rostock, die im Fach Chemie promoviert wurde. Ihr folgten bis 1945 lediglich fünf weitere Frauen: Johanna Lappenbusch (31. Mai 1922), Lotte Roudolf (10. Mai 1926), Henriette Meyer (30. Juni 1927), Else Hirschberg (17. März 1928) und Brigitte Sarry (14. April 1945).

Mathilde Klosmann mit Richard Stoermer (2.v.r.) und Paul Pfeiffer (2.v.l.) sowie ihrem Mann Johannes (obere Reihe 4.v.r.). Die Aufnahme ist vermutlich zwischen 1917 und 1918 entstanden. [Foto: mit freundlicher Genehmigung der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (NL Pfeiffer VI f: 1)]

Am 6. August 1919 heiratete Mathilde in Rostock Johannes Klosmann, der als Sohn des Kaufmanns und späteren königlichen Lotterieeinnehmers und Stadtrats Gustav Klosmann und seiner Ehefrau Elise geb. Schnepel am 6. Oktober 1886 in Neusalz an der Oder geboren wurde. Mathilde und Johannes hatten sich nach Erzählungen der Tochter Ingeborg im Chemischen Laboratorium der Universität Rostock kennen und lieben gelernt.

Mathilde und Johannes Klosmann um 1919. (Foto: mit freundlicher Genehmigung der Familie Klosmann-Dyck)

Johannes Klosmann hatte das Friedrich-Wilhelm-Realgymnasium in Grünberg in Schlesien besucht und es 1905 ohne Reifezeugnis verlassen. Es folgte eine Ausbildung zum Apotheker, die er mit der pharmazeutischen Vorprüfung (Note 1) abschloss. Nach einem praktischen Jahr studierte Johannes zwei Semester an der Universität Berlin, bevor er für neun Semester an die Universität Rostock kam. Er hatte sich am 25. April 1911 für Pharmazie immatrikuliert, legte am 8. Juni 1912 das pharmazeutische Staatsexamen mit der Note „sehr gut“ und am 8. Mai 1915 bei August Michaelis das Verbandsexamen unter der Nummer 11110 ab. Am 12. November 1915 wurde Johannes Klosmann an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock unter dem Referat von Michaelis mit seiner Dissertation zum Thema „Ueber das 4-Amidoselenopyrin und die 4-Azoverbindungen des Anti-Thio- und Anilopyrins“ zum Doktor der Philosophie promoviert. Im Dezember desselben Jahres bestand er auch das Staatsexamen als Nahrungsmittelchemiker mit „sehr gut“.

In dieser Zeit hatte Johannes Klosmann als Hilfsassistent bzw. Unterrichtsassistent, später als Vertretungsassistent und schließlich vom Wintersemester 1916/17 bis Wintersemester 1918/19 als Assistent im Chemischen Laboratorium der Universität Rostock gearbeitet. Vom Sommersemester 1919 bis zum Wintersemester 1920/21 war er Assistent am Hygienischen Institut der Universität, kam aber im Sommersemester 1921 in die Chemie zurück, wo er bis einschließlich Sommersemester 1925 verblieb. Im Wintersemester 1925/26 und 1926/27 führte Johannes Klosmann an der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock das Hygienische Praktikum für Fortgeschrittene bei Theodor von Wasielewski durch. Johannes Klosmann war außerdem von 1923 bis 1932 der erste Assistent bei der Lebensmitteluntersuchungsstelle zu Rostock.

Mathilde Klosmann arbeitete vom Wintersemester 1917/18 bis zum Wintersemester 1919/20 als Assistentin am Chemischen Laboratorium, vom 1. April 1920 bis zum 1. Oktober desselben Jahres am Botanischen Institut der Universität Rostock.

Am 19. Februar 1921 wurde der Sohn Hans Klosmann in Rostock geboren, der im zweiten Weltkrieg fiel. Die Familie siedelte Ende der 1920er Jahre nach Halberstadt über, da Johannes Klosmann am 1. Januar 1929 Vorsteher des chemischen Untersuchungsamtes der Stadt Halberstadt geworden war. Bis zum 31. Dezember 1930 war er auf Privatdienstvertrag angestellt, ab dem 1. Januar 1931 bis 1945 dann als verbeamteter städtischer Chemierat.

Am 7. August 1932 wurde die Tochter Ingeborg Klosmann in Halberstadt geboren, die mit ihrem Ehemann Hans Dyck heute in Bossier City (Louisiana) in den USA lebt.

Mathilde Klosmann nahm erst während des Zweiten Weltkrieges ihre Berufstätigkeit wieder auf. Im Sommer 1941 arbeitete sie für vier Wochen und von August 1943 bis Ende Mai 1945 ebenfalls am chemischen Untersuchungsamt der Stadt Halberstadt vertretungsweise halbtags als geprüfte Lebensmittelchemikerin.

Johannes Klosmann wurde 1945 aufgrund seiner Mitgliedschaft in der NSDAP als Vorsteher des chemischen Untersuchungsamts entlassen. Seine Ehefrau führte noch für einige Jahre im Wohnhaus ein Privatlaboratorium, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Die Familie siedelte noch vor dem Mauerbau in die Bundesrepublik Deutschland über. Johannes Klosmann verstarb am 22. November 1962 in Landstuhl, Rheinland-Pfalz. Seine Frau Mathilde verstarb keine drei Jahre später in ihrer Geburtsstadt Duisburg am 1. Juli 1965.

Tim Peppel

Quellen

[1] Archivbestände des Universitätsarchivs Rostock, des Landeshauptarchivs Schwerin und des Satdtarchivs Halberstadt.
[2] Berichte der Laboratoriumsvorstände an deutschen Hochschulen 1898-1939.
[3] Dokumente aus Standesämtern und Kirchenregistern sowie persönliche Aufzeichnungen der Familie Klosmann-Dyck.

Eine vollständige Liste kann beim Autor angefordert werden.