KALENDERBLATT OKTOBER 2016

Die Kreisteilmaschine als Instrument der Physik

Im Bericht über die Deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844 [1] wird hervorgehoben, dass die „Grundbedingung für die Anfertigung möglichst vollkommender Winkelmeß-Instrumente“ (Sextanten oder Theodelite für astronomische und geodätische Messungen) „in dem Vorhandensein geeigneter Kreis-Theilmaschinen beruht“. Ein solches Instrument für die Wissenschaft ist unter Nr. 192 in der Ausstellung zu sehen: „eine Kreistheilmaschine von 3 Fuß Durchmesser mit allem Zubehör“, geschaffen vom bekannten Berliner Mechanikus Johann August Örtling (1803–1866). Dieses seinerzeit moderne Instrument [2] ermöglicht eine automatische Teilung durch einem neuartigen elektromagnetischen Rotationsapparat. Solch eine 10 500 Rthlrn (Reichsthaler) teure Maschine wird im Schweriner Ministerium des Innern zur Nutzung an der Universität Rostock angeschafft, wohl auf Initiative von Hermann Karsten (1809–1877). Er antwortet am 12.08.1858 auf ein Schreiben aus Schwerin vom 6. August bezüglich der Aufstellung der Kreisteilmaschine: im „vorgeschlagenen Local in dem Flügel des Universitäts-Pedellenhauses“ [3]. Im Dezember 1880 schreibt Ludwig Matthiessen (1830–1906) betreffend der Übernahme der Kreisteilmaschine in die Verantwortung des Physikalischen Instituts: „Nach dem Tode des Prof. Karsten ist die sich im Besitze der Universität befindliche grosse Kreisteilmaschine, welche im obersten Stocke des hinteren Flügels des Universitätsgebäudes seit Jahren aufgestellt ist und der allgemeinen Benutzung des niversitätsmechanicus Petri überlassen ist, keinem der math.-phys. Cabinette zur Aufsicht überwiesen worden. Da ausserdem der Schlüssel zu dem betr. Cabinette sich seit Jahren in den Händen von Herrn Petri befindet, so bringt dies . . . mit sich, dass die Universitätsinstitute keinen direkten Nutzen von dem Gebrauche des Instruments ziehen können, da Herr Petri dasselbe ausschliesslich zu eigenen Zwecken benutzt. Seitdem aber das physikalische Institut einen Mechaniker angestellt hat, zu welchem Ressort die Teilmaschine gehört, . . . bitte ich dieselbe der Aufsicht des Dirigenten des physikalischen Instituts zu überweisen“ [3]. Der Umzug der Örtlingschen Kreisteilmaschine aus einem ehemaligen Karzerraum im Universitätshauptgebäude (erbaut 1867-70) schräg gegenüber in das neue Physik-Institut erfolgt im September 1910. Nach Überführung an das Physiologische Institut 1930 verlieren sich mit dem Tod des Direktors Friedrich Fröhlich (1879–1932) die Spuren.

Links und Mitte: Kreisteilmaschine von Örtling in Aufsicht und im Querschnitt. Aus: L. Ambronn:
Beiträge zur Geschichte der Feinmechanik, S. 10, nach [2].
Rechts: Obgleich die Kreisteilmaschine keine akademische Einrichtung ist, wird sie seit WiSe 1888/89 als Cabinet der Kreisteilmaschine (Director: Professor Dr. Matthiessen) im Verzeichnis der Behörden [4] bis zum SoSe 1910 regelmäßig aufgeführt.

Reinhard Mahnke

Ausgewählte Quellen

[1] Amtlicher Bericht über die allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin imJahre 1844. 3 Bände, Berlin, 1845-46.
[2] A. Örtling: Beschreibung einer auf Veranlassung des Königlichen Finanzmisterii in den Jahren 1840 und 41 erbauten und in den beiden folgenden Jahren in ihrer Ajustierung vollendeten Kreis-Theilmaschine. Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen, Bd. 29, 1850, S. 133-186.
[3] Universitätsarchiv Rostock: Kurator 082-0537, Kreisteilmaschine 1858-1930. Rostock.
[4] Verzeichnis der Behörden, Lehrer, Beamten, Institute und Studierenden der Universität Rostock, Sommersemster 1910, http://rosdok.uni-rostock.de/data/Preview-PuV/PDF/1910_SS_PV.pdf.