KALENDERBLATT SEPTEMBER 2018
Karl Werner Posnansky (1908-1967): Zur Erinnerung an einen Chemiker zwischen den Welten
Neben Else Hirschberg (1892-1942), die als erste Chemieabsolventin der Universität Rostock gilt, ergab sich bei Recherchen im Universitätsarchiv Rostock zu Chemiestudierenden, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft während der NS-Herrschaft die Rostocker Universität verlassen mussten, ein weiterer, uns bisher unbekannter Name: Karl Werner Posnansky. Sein Lebensweg konnte nun rekonstruiert werden und in diesem Kalenderblatt sollen sowohl die wissenschaftliche als auch die persönliche Biografie Posnanskys näher beleuchtet werden.
Karl Werner Posnansky wurde am 13. März 1908 in Charlottenburg als Sohn des Chemikers und Fabrikbesitzers Leon Posnansky (1871-1927) und seiner Ehefrau Rosa geb. Lindenbaum (1881-1960) geboren. Die Eltern hatten zwei weitere Kinder, Posnanskys ältere Schwester Erika Ilse (1906-1981) und die jüngere Margot Charlotte (1911-2007). Bereits der Großvater väterlicherseits, Israel Posnansky (1839-1890), war Teilhaber einer chemischen Fabrik in Wien gewesen (Fa. Posnansky & Strelitz). Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993), der erste Ehemann von Posnanskys Schwester Ilse, beschreibt die Familienverhältnisse in seiner Autobiografie wie folgt:
„Sie [Ilse] war Tochter eines Industriellen, der dies oder das im Rahmen der Chemie - ich glaube, es hatte mit Gummi zu tun - erfunden und eine auf dieser Erfindung basierende gutgehende Fabrik aufgebaut hatte. […] Er war eine Art unbürgerliches Genie gewesen, während die Mutter, betont bürgerlich, zwar zufrieden war mit dem Lebensstandard, […] weniger jedoch mit seinem „unmöglichen“ Benehmen. […] Ihr Mann mußte sehr viel Geld verdient haben, denn er besaß ein Grundstück am Kleinen Wannsee, ein Stadthaus mit parkähnlichem Garten direkt am Knie, […], also im Zentrum des Berliner Westens, die Villa am Wannsee, das besagte Haus in Friedrichshagen, […], ein Geschäftshaus in der Leipziger Straße, Ecke Friedrichstraße, wohl der teuersten Gegend der Berliner City, […], und die Fabrik in Köpenick.“ [1]
Nach dem Abitur am Charlottenburger Schiller-Realgymnasium studierte Posnansky vom 21. März 1927 bis zum 26. Oktober 1928 an der Technischen Hochschule Berlin Chemie, dann ab dem 30. Oktober 1928 für ein Semester und nochmals vom 26. Oktober 1929 bis zum 25. November 1931 an der Universität Berlin. Im Sommersemester 1929 war er an der Universität Wien eingeschrieben und studierte schließlich vom 7. Dezember 1931 bis zur Exmatrikulation am 24. November 1933 an der Universität Rostock. Der Wechsel aus Berlin nach Rostock erfolgte aufgrund fehlender Möglichkeiten, wichtige Teile des chemischen Praktikums zu absolvieren, da Teile des Instituts zu jener Zeit wegen Reparaturarbeiten geschlossen waren und sich auch in keinem anderen Berliner Institut ein Platz für Posnansky finden ließ. Die Exmatrikulation in Berlin erfolgte zum 25. November 1931 unter Rückzahlung der Studiengelder.
Während seines einsemestrigen Aufenthalts in Wien hörte er unter anderem Vorlesungen in Organischer Chemie bei Ernst Späth (1886-1946), dem die erste Totalsynthese und Strukturaufklärung des Alkaloids Mescalin gelang. In Rostock belegte er zum Beispiel im Wintersemester 1932/33 Vorlesungen in Chemie bei Paul Walden (1863-1957) und Richard Stoermer (1870-1940), in Mineralogie bei Carl Correns (1893-1980), aber auch in Allgemeiner Psychologie bei David Katz (1884-1953).
Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass Posnansky nach dem relativ frühen Tod seines Vaters im Jahr 1927 dessen Platz in der väterlichen chemischen Fabrik Dr. Alexander & Posnansky in Köpenick einnehmen sollte. Dies läge auch den Schluss nahe, dass Posnansky nicht promoviert wurde, sondern nach seinen Studien direkt als Chemiker tätig wurde.
Während seiner Studienzeit an der Universität Rostock wurde er von nationalsozialistischen Kommilitonen beschuldigt, sich im Sommer 1932 kommunistisch betätigt und Unterschriften zur Freilassung von Carl von Ossietzky (1889-1938) gesammelt zu haben. Die Angelegenheit wurde intensiv hochschulintern untersucht, aber Posnansky letztlich entlastet, da keine schlüssigen Beweise vorgebracht worden konnten und es sich um Denunziationen gehandelt hatte. Ob dieses Verfahren dazu beigetragen haben mag, dass Posnansky zum 24. November 1933 die Universität (unfreiwillig) verließ, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es ist nach bisherigem Forschungsstand nur bekannt, dass er an der Universität Rostock keinen Abschluss machte.
Für das Jahr 1934 lässt sich Posnansky als Chemiker bei zuvor genannter Fabrik in Köpenick nachweisen. 1938 ist er Koautor wissenschaftlicher Publikationen des I. Chemischen Universitäts-Instituts in Wien. Am 25. März 1939 emigrierte Karl Posnansky von Southampton, England aus in die USA. Bereits am 7. August 1939 stellte er einen Antrag auf Einbürgerung in den USA, die am 14. März 1945 bewilligt wurde. Wie er, seine Mutter und die beiden Schwestern die Emigration in die USA schafften, ist nicht sicher belegt. Es könnte sein, dass sowohl Curt Riess als auch amerikanische Verwandte (Nachfahren der Schwester von Israel Posnansky) dies ermöglichten.
Interessanterweise reiste Posnansky nach dem Antrag auf Einbürgerung zurück nach England, wo er am 31. August 1939 in Henley-on-Thames Ulla geb. Niepold (1906-1994) heiratete und mit ihr und ihrem Sohn Peter Thomas (1936-1997) in die USA zurückkehrte.
Nach einem kurzen Aufenthalt der Familie in New Castle/ New York im Jahr 1940 ist ab 1941 Stamford, Connecticut als Wohnort nachweisbar. Dort arbeitete Posnansky in den Folgejahren weiter als Chemiker (rubber chemist) bei The Stamford Rubber Supply Company. Posnansky war Zeit seines Lebens Chemiker in Bereich der Ölkautschuke (Faktis), wobei er seine Forschungen nach der Emigration in den USA erfolgreich weiter führen konnte. Eine Vielzahl an Patenten zeugen von seiner Arbeit. Es ist nicht bekannt, ob Posnansky auch nach der Übernahme von The Stamford Rubber Supply Company durch American Cyanamid weiterhin als Chemiker tätig war. Zumindest ließen sich für die Zeit nach 1959 keinerlei weitere wissenschaftliche Arbeiten recherchieren. Karl Werner Posnanskys einziges eheliches Kind, seine Tochter Nina Kathryn Posnansky wurde am 25. März 1942 in Stamford geboren. Sie ist seit 1983 mit dem Filmemacher Milton Ginsberg (* 1943) verheiratet und arbeitet als Künstlerin in New York. Karl Werner Posnansky starb am 8. Januar 1967 im Alter von 58 Jahren in Stamford; seine Frau Ulla ebenfalls dort am 26. Januar 1994 im Alter von 87 Jahren.
Tim Peppel
Quellen:
[1] C. Riess: Das waren Zeiten. Georg Müller Verlag GmbH, München, 1986. S. 116-117.
[2] Universitätsarchive Rostock, Berlin, Wien.
[3] Persönliche Mitteilungen von Nina Posnansky-Ginsberg, New York, USA.
[4] ancestry.de und familysearch.org.
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