KALENDERBLATT JANUAR 2019

Der Mathematiker Lothar Berg

Lothar Berg, 1974 (Quelle: Bildarchiv des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach).
Lothar Berg, 1974 (Quelle: Bildarchiv des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach).

Lothar Berg wurde am 28. Juli 1930 in Stettin geboren. Das Abitur legte er 1949 in Neustrelitz ab. Danach folgte ein Studium der Mathematik und Physik an der Universität Rostock. Schnell zeigte sich seine besondere Begabung in der Mathematik. In erstaunlich kurzer Zeit schloss Lothar Berg das Diplom (1953), die Promotion (1955) und die Habilitation (1957) auf dem Gebiet der Mathematik ab. Nach einer kurzen Tätigkeit als Oberassistent und Hochschuldozent an der Technischen Hochschule Ilmenau (ab 1957) und einer Professur mit Lehrauftrag an der Universität Halle (ab 1959) erhielt er 1965 einen Ruf an die Universität
Rostock, wo er bis 1992 die ordentliche Professur für Analysis innehatte. Ab 1993 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1996 wirkte er hier als C4-Professor für Funktionalanalysis. In Rostock hörten wir beide auch seine Vorlesungen in Analysis und nahmen an seinen Übungen teil. Die Vorlesungen wurden von ihm, abgesehen von gelegentlichen Blicken in sein Manuskript, in freiem Vortrag an der Tafel zielorientiert und mit typischen Beispielen und Anwendungen gefüttert entwickelt. In Erinnerung sind solche Begebenheiten, bei denen Prof. Berg nach langer Tafelarbeit interessiert mit der Bemerkung in das Manuskript sah: „Ich schaue mal, ob die Bezeichnungen noch übereinstimmen“. In den Übungen forderte Prof. Berg von uns eine gute Vorbereitung und eine aktive Mitarbeit ein. Wer das nicht ernst nahm, durfte damit rechnen, von ihm „angezählt“ zu werden.

In der Forschung zeichnete sich Prof. Berg durch ein enormes Querschnittswissen und durch eine erstaunliche Produktivität bis ins hohe Alter aus (7 Fachbücher und über 200 Artikel in mathematischen Fachzeitschriften, davon um die 40 nach seiner Emeritierung!). Er beschäftigte sich zunächst mit Asymptotik, Operatorenrechnung und Funktionalgleichungen, später auch mit numerischer linearer Algebra und Multiskalengleichungen. Hervorgehoben seien seine richtungsweisenden Bücher zur Operatorenrechnung (Einführung in die Operatorenrechnung (Berlin, 1962) sowie Operatorenrechnung I und II (Berlin, 1972–1974)) und zur Asymptotik (Asymptotische Darstellungen und Entwicklungen (Berlin, 1968)). In Würdigung seiner Verdienste in der mathematischen Forschung wurde Prof. Berg schon 1970 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Von 1981 bis 1990 war er dort im Vorstand tätig. Er hatte mehr als 20 erfolgreiche Schüler, die er durch anspruchsvolle Aufgaben und wertvolle Anregungen forderte und förderte. So verdanken auch wir unserem Doktorvater eine Vielzahl mathematischer Impulse.

Das umfangreiche mathematische Wissen von Prof. Berg hat uns bereits als Studenten sehr beeindruckt. Dazu eine kleine Episode: Bei einer Konsultation zu den Untersuchungsergebnissen mehrerer Forschungsstudenten stellten alle spezifische Fragen aus den doch sehr verschiedenen Gebieten Differentialgleichungen, Operatorenrechnung und Mengenlehre, die Prof. Berg blitzschnell beantworten konnte. Danach stellte einer von ihnen voller Hochachtung fest: "Unglaublich, wie er wieder geschaltet hat!"

Der am Institut und international hochgeschätzte Kollege Berg war für die Universität Rostock ein echter Glücksfall.

In der DDR-Zeit ging Prof. Berg gelegentlich auch öffentlich auf kritische Distanz zur herrschenden Politik. Die sich daraus ergebenden Anfeindungen blieben jedoch für ihn wegen seiner herausragenden wissenschaftlichen Stellung und durch Fürsprache von Kollegen im Wesentlichen folgenlos. Die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten war für ihn eine große Genugtuung.

Prof. Berg war auch kulturell und insbesondere musikalisch sehr interessiert. Mit Kollegen und Angehörigen zusammen pflegte er des Öfteren die Tradition der Hausmusik.

Am 27. Juli 2015, einen Tag vor seinem 85. Geburtstag, verstarb Prof. Berg in Rostock.

Manfred Krüppel und Dieter Schott

Quelle:

[1] Eintrag zu Lothar Berg im Catalogus Professorum Rostochiensium: purl.uni-rostock.de/cpr/00001546