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Pharmazeutenausbildung in Rostock

Professor Dr. Harald Bräuniger (Foto: UAR).
Professor Dr. Harald Bräuniger (Foto: UAR).

Als 1811 der von Heinrich Friedrich Link  verlassene Lehrstuhl für Naturgeschichte, Chemie und Botanik geteilt wurde, konnte erstmals ein Professor für Chemie und Pharmazie berufen werden.  In dem Zeitraum 1831 – 1933 lassen sich dann auch über die gesamte Zeitspanne Pharmaziestudenten nachweisen. Dem Matrikelportal der Universität ist die Angabe von 1 096 zu entnehmen. Die Zahl der Chemiestudenten ist im genannten Zeitraum größer, nämlich 1 967. Die erste Immatrikulation für Chemie findet man aber erst im Jahr 1856.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Lehrstuhlinhaber in ihrer wissenschaftlichen Arbeit eine gewisse Spezialisierung für Pharmazie aufzuweisen hatten, um die Lehre modern gestalten zu können. Doch weder bei Gustav Mähl (1789-1833) noch bei Helmuth von Blücher lassen sich solche Nachweise entdecken. Erst bei Franz Schulze (1815-1873) findet man ein deutliches Interesse an pharmakognostischen Fragestellungen. Er hatte z. B. durch Vermittlung seines Schülers Georg Dragendorff Kontakte zur Pharmazeutischen Gesellschaft in Petersburg und publizierte in deren Journal. Auch der Nachfolger Oscar Jacobsen (1840-1889) veröffentlichte einige pharmazeutische Arbeiten, so zur Gallenflüssigkeit oder zum Cumol.

Unter den 137 in der Rostocker Zeit entstandenen Arbeiten von August Michaelis (1847-1916) gibt es 13 mit pharmazeutischem Inhalt. In ihnen ging es um Pyrazolon-Derivate, die wegen der fiebersenkenden Wirkung des Antipyrins (Phenazons), das einen Pyrazolon-Baustein enthält, von großem Interesse waren. Franz Kunckell (1868-1915), Schüler von Michaelis, war der erste, der sich für Pharmazeutische Chemie habilitierte. Seine Forschungstätigkeit war aber eher der Organischen Synthese zuzuordnen, nur in einer Arbeit wird von einer pharmakologischen Prüfung eines Präparates berichtet.

1916 wurde die Rostocker Chemie in eine anorganische und eine organische Abteilung untergliedert. Erstere trug  nun die Verantwortung für die Ausbildung in pharmazeutischer Chemie. Doch weder bei Paul Pfeiffer (1875-1951) noch bei Paul Walden (1863-1957) oder Max Trautz (1880-1960)  kann man eine wissenschaftliche Beschäftigung mit pharmazeutischen Fragestellungen nachweisen. Sie beschäftigten sich mit Pharmazie, soweit es die Lehre betraf. Ab 1931 wurde zunehmend über die Einstellung der Pharmazieausbildung diskutiert, die 1938 dann auch in Rostock vollzogen wurde.

Bereits 1945 beantragte von Guttenberg die Wiederaufnahme des pharmazeutischen Unterrichts, es wurden erste Pharmaziestudenten immatrikuliert. Eine Vorlesung zur Pharmazie lässt sich an der Philosophischen Fakultät jedoch erst 1947 nachweisen. Harald Bräuniger (1911-1988), der in Dresden und Leipzig sowohl Pharmazie als auch Lebensmittelchemie studiert hatte,  gelang die Schaffung einer pharmazeutischen Abteilung, die auch von ihm geleitet wurde. Diese erhielt 1955 den Status eines Instituts, dessen Direktor Bräuniger wurde. 11 Jahre später wurde das Institut wieder geschlossen und Bräuniger nach Jena versetzt. Da auch dort die Pharmazie der Dritten Hochschulreform zum Opfer fiel, kam er nach Rostock zurück und war nochmals von 1969 bis 1976 Professor für Pharmazeutische Chemie, ohne dass eine Immatrikulation für Pharmazie möglich war.

Bräuniger veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur pharmazeutischen Analytik, er nutzte die damals moderne Methode der Papierchromatographie. Außerdem wurden viele Untersuchungen zu Glykosiden angestellt. Bräuniger war der erste Hochschullehrer in Rostock, der sich – nicht der Medizin zugeordnet – fast ausschließlich der Pharmazie widmete. Auch heute werden in Rostock keine Pharmazeuten mehr ausgebildet, pharmazeutisches Wissen wird im Rahmen der Universitätsmedizin vermittelt.

Gisela Boeck

Quellen

[1] Matrikelportal der Universität Rostock (http://matrikel.uni-rostock.de/).
[2] Eintrag zu Harald Bräuniger im Catalogus Professorum Rostochiensium: http://purl.uni-rostock.de/cpr/00002372.
[3] A. Borowski: Die Entwicklung des Pharmazeutischen Unterrichts an der Universität Rostock im Zeitraum von 1875 bis 1967. Diplomarbeit, Sektion Pharmazie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 1982.
[4] Marlis Graudußus: Das wissenschaftliche Profil der Pharmazeutischen Wissenschaft an der Universität Rostock von 1873 bis 1967/78. Diplomarbeit, Sektion Pharmazie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 1982.