KALENDERBLATT NOVEMBER 2012
Warum Angewandte Mathematik?
Prof. Hans Schubert thematisierte diese Frage in seiner Antrittsvorlesung zum Sommersemester 1947. Seit Herbstsemester 1946 war er als Professor mit vollem Lehrauftrag für Mathematik nach Rostock berufen worden, auf eine Stelle, die zuvor Friedrich Lösch, Leiter des Instituts für Angewandte Mathematik zwischen 1940 und 1945 inne hatte. Schubert trat seine Tätigkeit wegen Heizmaterialmangels aber erst am 1. März 1947 an.
Hans Schubert, geboren am 1. Mai 1908 im thüringischen Weida, besuchte von 1918 bis 1927 das Realgymnasium zu Crimmitschau und studierte von 1927 bis 1933 Mathematik und Physik an der Universität Leipzig. Seine Lehrer für Mathematik waren Otto Hölder (1859-1937), dessen Sohn Ernst Hölder (1901-1990), Paul Koebe (1882-1945) und Leon Lichtenstein (1878-1933) und für Physik Peter Debye (1884-1966) und Werner Heisenberg (1901-1976). Angeregt von Lichtenstein promovierte er von 1933 bis 1935 zum Thema Über einige Lichtensteinsche Hilfssätze der Potentialtheorie und ihre Anwendung auf die Hydrodynamik unter Betreuung von E. Hölder. Zusätzlich legte er 1936 die Staatsexamensprüfung für das höhere Lehramt ab.
Vom 1. November 1936 bis zum 1. April 1945 war Schubert an der Versuchsanstalt für Luftfahrt in Berlin-Adlershof als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf dem Gebiet der theoretischen Aerodynamik tätig. Es entstanden etliche Arbeiten zur Tragflügel- und Propellertheorie, die als Muster für eine gute Verbindung zwischen Mathematik und der Ingenieurwissenschaft bezeichnet werden können. Aus diesen Untersuchungen ging in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Curt Schmieden (1905-1991) seine Habilitationsschrift hervor, die das für die Praxis wichtige, von Irmgard Flügge-Lotz (1903-1974) angeregte Problem der Berechnung der Abwindkorrekturen in Windkanälen behandelt und deren Verteidigung 1943 an der TH Darmstadt erfolgte.
Schuberts Tätigkeit in Adlershof prägte ihn nicht nur als Angewandten Mathematiker, sondern führte ihn auch zur Überzeugung, dass der Wissenschaftler „gegenüber der menschlichen Gesellschaft die Pflicht [hat], darüber zu wachen, daß die Ergebnisse seiner Wissenschaft der friedlichen Weiterentwicklung und nicht der Zerstörung unserer Daseinsgrundlage dienen.“
Während seiner Tätigkeit in Rostock umfassten die Kerngebiete seiner Forschung Gewöhnliche und Partielle Differentialgleichungen, Potentialtheorie, Strömungslehre und Integralgleichungen. Seine Vorlesungen über diese Forschungsgebiete waren didaktisch hervorragend ausgefeilt, präzise schriftlich ausgearbeitet und begeisterten Anfänger und fortgeschrittene Hörer der Mathematik und Physik. Zwischen 1947 und 1951 war Schubert Direktor des Mathematischen Seminars bzw. 1952 Fachrichtungsleiter Mathematik. 1950 auf den Lehrstuhl für Mathematik berufen, wirkte er in Rostock noch bis 1952. Schubert folgte danach einem Ruf auf eine Professur mit Lehrstuhl an die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Von 1959 bis 1987 zählt er zu den Mitherausgebern der Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik (ZAMM), 1959 wurde er durch die Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina ausgezeichnet.
Hans Schubert widmete sich in seiner Freizeit dem Klavierspiel, liebte die Malerei und galt als humorvoller Gastgeber. Er starb am 24.11.1987 in Halle/Saale.
Andreas Straßburg
Quellen
[1] Eintrag zu Hans Schubert im Catalogus Professorum Rostochiensium: purl.uni-rostock.de/cpr/00001323
[2] disk.mathematik.uni-halle.de/history/schubert/index.html
[3] L. Berg, L. v.Wolfersdorf: Prof. Dr. Hans Schubert 70 Jahre. In: Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik 58 (1978), S. 305 – 306.