KALENDERBLATT MAI 2013

Johann Georg Noël Dragendorff – Zwischen Chemie, Pharmazie und Hygiene

Johann Dragendorff (Foto: Wikipedia).

Vielleicht ist dem einen oder anderen schon der Begriff Dragendorffs Reagenz begegnet. Dabei handelt es sich um Kaliumtetraiodobismutat (KBiI4). Es entsteht  in schwach schwefel- oder salpetersaurer Lösung aus Bismut(III)-Salzen bei einem Überschuss von Kaliumiodid. Dieses Reagenz bildet mit vielen  Alkaloiden zum Teil schwer lösliche, orange bis rot gefärbte Verbindungen.

Dieses Reagenz geht auf Johann Georg Noël Dragendorff zurück, der am 20. April 1836 in Rostock geboren wurde. Sein Vater Ludwig war praktizierender Arzt und hielt gelegentlich Vorlesungen an der Rostocker Universität.

1853 begann Dragendorff die Apothekerlehre in der Hirsch-Apotheke der Familie Witte. 1856 schloss er erfolgreich das Apothekerexamen ab und arbeitete noch eine Zeit lang in der Witte´schen Apotheke. Dann wechselte er zur Hofapotheke nach Doberan und richtete deren Zweigstelle in Heiligendamm ein.

Diesen praktischen Jahren schloss sich ein zweisemestriges Studium an der Universität Rostock an, für das keine Immatrikulation vorliegt, da Dragendorff keinen höheren Schulabschluss vorweisen konnte. Dragendorff selbst berichtete, dass er Vorlesungen bei Johann(es) Roeper (1801-1885), Hermann Karsten (1809-1877) und Franz Schulze (1815-1873) hörte.  Besonders durch den Chemiker Schulze wurde er gefördert, der ihn nach einem kurzen Aufenthalt in Heidelberg wieder nach Rostock auf eine Assistentenstelle  im Chemischen Institut zurückholte. Dragendorff promovierte 1861 zum Dr. phil. mit der Arbeit „Ueber Einwirkung des Phosphors auf einige kohlensaure und borsaure Salze“.

Grabstein im Lindenpark in Rostock (Foto: A. Straßburg).

1862 übernahm Dragendorff die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitschrift für Russland und gleichzeitig die Leitung des neu gegründeten Labors für gerichtlich-chemische Untersuchungen in St.Petersburg. Um in Russland Karriere machen zu können, brauchte er einen russischen Abschluss und meldete sich 1864 zum Magisterexamen in Dorpat an. Zu dieser Zeit wurde der dortige bis dahin durch Carl Claus (1796 –1864), dem Entdecker des Rutheniums, besetzte Lehrstuhl für Pharmazie frei. Für diesen wurde Dragendorff ausgewählt.

In Dorpat war Dragendorff wissenschaftlich außerordentlich erfolgreich. Er arbeitete auf folgenden Gebieten: Forensische Chemie, Pharmakologie (mit besonderem Interesse an den Alkaloiden), Physiologie und Pathophysiologie, Umweltuntersuchungen, Bakteriologie, Pharmakognosie und Lebensmittelchemie. Er betreute zahlreiche Magisterarbeiten der Pharmazie- und Doktorarbeiten der Medizinstudenten.

Wegen der zunehmenden Russifizierung auch an der Universität Dorpat quittierte Dragendorff seinen Dienst und kehrte nach 30-jähriger Amtszeit wieder nach Rostock zurück. Hier hat er eines seiner wichtigsten Werke, das Buch Die Heilpflanzen der verschiedenen Völker und Zeiten, beendet. Dragendorff verstarb in Rostock am 7. April 1898. Seine russischen Schüler sammelten Geld für einen Gedenkstein auf seinem Grab. Die Reste dieses Gedenksteins sind heute im Lindenpark zu finden.

Gisela Boeck

Quelle

U. Kokoska: Johann Georg Noël Dragendorff. Diss., Institut für Geschichte der Medizin an der FU Berlin, 1983.