KALENDERBLATT SEPTEMBER 2013

Günther Drefahl und die Rostocker Kohlenhydratchemie

Günther Drefahl (Foto: Univ. Jena).

Am 28. Juli 2013 verstarb in Jena Günther Drefahl in seinem 92. Lebensjahr. Aus diesem Grunde soll an den 1922 in Rostock geborenen Chemiker erinnert werden.

Drefahl ging in Rostock zur Schule und arbeitete ein Jahr lang als Chemielaborant in der Chemischen Fabrik Witte (Arbeitsdienst), bevor er 1940 sein Chemiestudium an der hiesigen Alma Mater begann. Fachlich wurde Drefahl vor allem durch Kurt Maurer (1900 –1945) geprägt, der 1930 in Jena mit einem Thema zur Zuckerchemie habilitiert hatte und seit 1936 als Professor in Rostock wirkte. Drefahl wurde 1946 mit der Arbeit Selektive Oxydation primärer Alkoholgruppen – Die Oxydation mit Stickstofftetroxyd promoviert und unmittelbar danach als Dozent für Organische Chemie in den Lehrkörper der Universität Rostock aufgenommen. Nach seiner Habilitation 1949 über Chemie und Struktur der NO2-Oxyzellulose wurde Drefahl kurzzeitig Dozent für Organische Chemie in Rostock, doch im gleichen Jahr nach Jena gerufen, um dort den Lehrstuhl für Organische Chemie wahrzunehmen. 1950 wurde er in Jena Professor mit vollem Lehrauftrag für Spezielle Organische Chemie und Naturstoffchemie.

Zweifelsohne liegt Drefahls Hauptschaffensperiode in Jena. Er kümmerte sich mit aller Kraft um die Planung und den Aufbau des Instituts für Organische Chemie, das 1955 in Benutzung genommen werden konnte. Damit war in Jena die Voraussetzung für eine moderne, durch umfangreiche Praktika gekennzeichnete Ausbildung der Chemiestudenten in Organischer Chemie und bald auch in Biochemie geschaffen. Dabei erwies sich Günther Drefahl als ein außerordentlich beliebter und erfolgreicher Hochschullehrer für seine Diplomanden und Doktoranden. Von 1962 bis 1968 war er Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, von 1969 bis 1989 Präsident des Friedensrates der DDR. Drefahls wissenschaftliche Interessen waren stark von der Naturstoff- und Stereochemie geprägt. Davon zeugen seine umfangreichen Publikationsreihen zu folgenden Themen:

Untersuchungen über Stilbene (1954 –1970), Aminoalkohole (1958 –1966), Polymerisationsfähige und polymere Verbindungen (1962 –1968), Stickstoffhaltige Steroide (1963 –1969).

Sie erschienen in den Zeitschriften Chemische Berichte (Weinheim) und Journal für praktische Chemie (Leipzig). An der Universität Rostock, deren Wissenschaftlicher Rat ihn 1982 zum Ehrendoktor ernannte, hat Drefahl mittelbar seine Spuren auf dem Gebiet der Kohlenhydratchemie hinterlassen. Einer seiner Schüler, nämlich Helmut Zinner (1921– 2001), der unter Hellmut Bredereck (1904 –1981) in Jena seine Beschäftigung mit der Kohlenhydratchemie begonnen hatte, wurde 1952 unter Drefahl habilitiert. Zinner wurde 1953 Professor in Rostock und setzte die von Maurer initiierte Kohlenhydratforschung in großem Maßstab fort, die aber im Zuge der Dritten Hochschulreform ein jähes Ende fand.

In den 1970er-Jahren gelang es jedoch Helmut Kristen, der von 1980 bis 1989 Beauftragter Vertreter der DDR in der RGW-Koordinierungsgruppe Grundlagenforschung zur Chemie der Kohlenhydrate war, sowie Klaus Peseke und Christian Vogel, die Kohlenhydratforschung in Rostock wieder zu beleben.

Gisela Boeck

Quellen

[1] Eintrag zu Günther Drefahl im Catalogus Professorum Rostochiensium: http://purl.uni-rostock.de/cpr/00002382

[2] P. Hallpap: Chemiehistorische Notiz 2/2012: Günther Drefahl. Chemisch-Geowissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2012.