KALENDERBLATT FEBRUAR 2015

Die Einstein-Büste im Institut für Physik

Auf dem Südstadt-Campus der Universität Rostock nimmt Mitte des Jahres 2015 das Institut für Physik ein neues Hörsaal- und Forschungsgebäude in Betrieb. Diese Neubauten kosten ca. 70 Millionen Euro. Im Rahmen des Umzugs vom Standort Universitätsplatz 3 in die Albert-Einstein-Straße 23 wird auch die Einstein-Büste umgesetzt. Aus diesem Anlass bemühen sich die Autoren, Informationen zur Bildhauerin und zum Kunstwerk zu sammeln und eine Informationstafel zu erstellen.

Der Erstguss

Am 13. März 1963 wird auf dem Gelände der Archenhold-Sternwarte im Treptower Park in Berlin unweit der 1961/62 fertiggestellten Kuppelbauten für Spiegelteleskope eine Bronze-Büste Albert Einsteins enthüllt. Sie ist das Werk der Künstlerin Jenny Mucchi-Wiegmann und soll an die freundschaftlichen Beziehungen erinnern, die zwischen Friedrich Archenhold (1861–1939) und Albert Einstein (1879–1955) bestanden [1, 2]. In [3] (S. 75/76) wird berichtet, dass dieses Kunstwerk am 14.09.1991 von Unbekannten gestohlen wurde. 2003 taucht eine entsprechende Büste bei einem Potsdamer Antiquitätenhändler auf. Der Händler behauptet, dies sei nicht das gestohlene Exemplar, sondern ein weiterer Abguss. Der Gegenbeweis lässt sich nicht führen; letztendlich wird die Büste privat verkauft und die Archenhold-Sternwarte geht leer aus.

Die Künstlerin

Jenny Mucchi-Wiegmann wird am 01.12.1895 in Berlin geboren, studiert in Berlin und München bei August Kraus (1868–1934) und Louis Corinth (1858–1925) und nimmt anschließend (bis 1930) ihren Wohnsitz in Berlin. Von1930 bis 1934 lebt sie in Paris, siedelt aber 1934 nach Mailand über, um schließlich (von 1956 an) gemeinsam mit ihrem Gatten, dem italienischen Maler Gabriele Mucchi (1899–2002), ihren zweiten Wohnsitz in Berlin zu nehmen [1, 3]. Sie stirbt am 02.07.1969 in Berlin-Buch. Der Grabstein befindet sich auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde [4]. Susanne Mucchi, die zweite Ehefrau von Gabriele Mucchi, verwaltet den Nachlass des Künstlerpaares. Die MOZ (Märkische OnlineZeitung) berichtet am 24.02.2014 über ein Kunstraum-Gespräch in Bernau zu den Skulpturen von Jenny Mucchi-Wiegmann.

Eines der wenigen Fotos der Bildhauerin mit dem Künstlernamen Genni. Aus der Sammlung der Galerie Poll in Berlin-Mitte (http://poll-berlin.de/Galerie/).
Eines der wenigen Fotos der Bildhauerin mit dem Künstlernamen Genni. Aus der Sammlung der Galerie Poll in Berlin-Mitte (http://poll-berlin.de/Galerie/).
Der Grabstein der Künstlerin auf dem Friedhof Friedrichsfelde in Berlin (Foto: F. Mitschke, 2014).
Der Grabstein der Künstlerin auf dem Friedhof Friedrichsfelde in Berlin (Foto: F. Mitschke, 2014).

Der Nachguss

Seit ca. 1979 befindet sich ein Nachguss der Einstein-Büste an der Sektion Physik der Universität Rostock. Dabei handelt es sich um ein Geschenk einer österreichischen Gewerkschaftsdelegation an den Rostocker FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund), überreicht ca. 1975 im Haus der Gewerkschaften in der Langen Straße. Die Plastik wird dann vom Bezirksvorstand der Gewerkschaft Wissenschaft (in Person von Richard Baumann) auf einer Delegiertenkonferenz der Universitäts-Gewerkschaftsorganisation an die Universität Rostock übergeben. Auf Initiative von Dr. Uwe Hein (geb. 1941, Physik-Studium, Dissertation 1976 zur Feldemission aus Silizium) von der UGL (Universitätsgewerkschaftleitung) erfolgt die Übergabe in die Physik. Seit nunmehr 40 Jahren steht das Kunstwerk im 1. Obergeschoss (dicht beim Kleinen Hörsaal) im Physik-Institut am Universitätsplatz 3. Der Sockel und die Wandgestaltung haben sich mehrfach verändert und verbleiben vor Ort, nicht aber der Einstein-Kopf von Jenny Mucchi-Wiegmann, dieser zieht 2015 um.

Die Büste Albert Einsteins 2010 im Gebäude der Physik am Universitätsplatz 3 (Aufnahme von F. Mitschke, veröffentlicht in [3], S. 75.
Die Büste Albert Einsteins 2010 im Gebäude der Physik am Universitätsplatz 3 (Aufnahme von F. Mitschke, veröffentlicht in [3], S. 75.
Büste Albert Einsteins im Gebäude der Physik am Universitätsplatz 3 (Foto reproduziert aus [5], S. 56). Die Zeitschiene zur Physikentwicklung unterhalb der Lebensdaten Einsteins stammt von Uwe Hein (Fotograf unbekannt).
Enthüllung einer Gedenktafel an der Villa Dehmelstr. 23 (v. l.: R. Redmer, G. Röpke, R. Mahnke) am 10.11.2004 zur Erinnerung an den Besuch Einsteins bei Schlick während der 500-Jahr-Feier der Universität Rostock 1919 (Foto aus [3], S. 74).

Die Ehrendoktorwürde

Albert Einstein ist ebenso wie Max Planck (1858–1947) Ehrendoktor der Rostocker Universität. Die Umstände der Rostocker Ehrenpromotion Albert Einsteins sind unter Auswertung der Protokollbücher der Medizinischen Fakultät in [5] ausführlich dargelegt. So wird am 10. Juli 1919 beschlossen, " . . . die Würde eines Ehrendoktors an Einstein und Willstätter zu verleihen". Der Vorschlag Planck kommt erst am 19. August 1919 dazu. Der Dekan der Medizinischen Fakultät Theodor von Wasielewski (1868–1941) übernimmt es, Albert Einstein zur Verleihung des Dr. h. c. am Tage der Fünfhundertjahrfeier der Universität Rostock einzuladen.

Am 26.12.1919 bedankt sich Einstein für die "schöne Feier ihrer ehrwürdigen Universität und die von Herzlichkeit getragene Gastlichkeit, die mir in Rostock zuteil wurde, . . ." (Original im UAR, PA med 150/19). Wie in [5] im Detail nachzulesen, bleibt Albert Einstein auch nach der Machtübernahme des Nationalsozialismus Rostocker Ehrendoktor. Eine 1938 geforderte Entziehung des akademischen Grades findet nicht statt. Entweder können oder wollen sich die Mitglieder der Medizinischen Fakultät nicht erinnern und lassen die Anordnung auf sich beruhen. Somit ist der Nobelpreisträger Albert Einstein, dessen Büste im Institut für Physik steht, Dr. h. c. med. der Universität Rostock seit 1919 bis heute.

Abschließend ein Verweis auf den Rostocker Philosophen Moritz Schlick (1882–1936) und sein Wohnhaus in der Dehmelstr. 23. An der Fassade erinnern seit 2004 Plaketten an Schlicks berühmten Gast und ihn selbst [3]. Dort ist zu lesen: "Aus Anlass der Verleihung seiner Ehrendoktorwürde durch die Universität Rostock im Jahre 1919 weilte in diesem Haus der Vater der Relativitätstheorie Albert Einstein."

Fedor Mitschke, Reinhard Mahnke

Quellen

[1] D. Wattenberg: Die Einstein-Büste der Archenhold-Sternwarte. Sonderdruck Nr. 3, Berlin-Treptow, 1963.
[2] D. Wattenberg: Die Archenhold-Sternwarte Berlin-Treptow. Ein Wegweiser durch ihre Einrichtungen, Sammlungen und Anlagen. Berlin, 1966, 1969, 1974.
[3] R. Mahnke, F. Mitschke: 100 Jahre Physikalisches Institut 1910–2010. Beiträge zur Geschichte der Universität Rostock, Heft 28, 2010.
[4] H.-J. Mende: Lexikon Berliner Grabstätten. Haude & Spener, 2006.
[5] A. Könies, H. Albrecht: Albert Einstein – Ehrendoktor der Rostocker Universität. In: Zur Entwicklung der Physik an der Rostocker Universität. Beiträge zur Geschichte der Universität Rostock, Heft 17, 1991, S. 50–59.