KALENDERBLATT JULI 2018

Wolfgang Engel – ein Leben für die Mathematik

Wolfgang Engel (Foto: K. Engel).
Wolfgang Engel (Foto: K. Engel).

Wolfgang Engel, geb. am 10.04.1928 in Ammendorf bei Halle/Saale, studierte in den unmittelbaren Nachkriegsjahren von 1946 bis 1950 Mathematik und Physik an der Martin-Luther-Universität Halle, promovierte 1953 bei Heinrich Wilhelm Ewald Jung (1876 –1953) und Ott- Heinrich Keller (1906 –1990) und habilitierte sich 1957 mit einer Arbeit zur algebraischen Geometrie. Bereits mit 31 Jahren erhielt er 1959 die Berufung an die Universität Rostock zum Professor mit Lehrauftrag für Mathematik. Mit einem interessanten und breiten Spektrum von Vorlesungen und Seminaren zur algebraischen Geometrie baute Wolfgang Engel in Rostock eine eigene Schule auf. Hieraus gingen zahlreiche Promotionen und Habilitationen hervor; mehrere seiner Schüler wurden zu Professoren berufen. In den 1970er- Jahren entwickelte sich aus dieser Schule heraus zunächst die Arbeitsgruppe Diskrete Mathematik, aus der später die Arbeitsgruppe Optimale Diskrete Strukturen und Algorithmen hervorgegangen ist.

Die Bedingungen für wissenschaftliches Arbeiten in den 1970er- und 1980er- Jahren waren durch manche Restriktionen geprägt. Wolfgang Engel hat es jedoch mit diplomatischem und organisatorischem Geschick stets geschafft, dass seine Schüler trotz Reiseeinschränkungen internationale Kontakte pflegen konnten und renommierte Mathematiker unsere Tagungen und Herbstschulen besuchten.

Seit seiner Berufung nach Rostock hat sich Wolfgang Engel intensiv und sehr erfolgreich für eine gut strukturierte Ausbildung der Lehrerstudenten und für die Modernisierung des Mathematikunterrichts eingesetzt. Unter seiner Verantwortung entstand die Lehrbuchreihe Mathematik für Lehrer mit insgesamt 20 Bänden, er war Mitinitiator der Spezialklassen Mathematik und hat wesentlichen Anteil an der Förderung hochbegabter Schüler. Für seine Leistungen zur Modernisierung des Mathematikunterrichts wurde Wolfgang Engel in die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften aufgenommen und erhielt zahlreiche Auszeichnungen.

Sein besonderes Interesse galt stets der Förderung begabter Schüler. Er ist einer der Väter der Mathematik-Olympiaden und der Internationalen 20 Kalenderblatt Juli 2018 Mathematik-Olympiaden und wirkte aktiv am Bundeswettbewerb Mathematik mit. Für dieses Engagement wurde Wolfgang Engel 1998 mit dem Paul-Erdös-Award durch die World Federation of National Mathematics Competitions ausgezeichnet. Er ist den mathematischen Wettbewerben bis zuletzt verbunden geblieben.

Nach der Wende hat sich Wolfgang Engel um den Neuaufbau des Instituts für Mathematik an der Universität Rostock und um die Geschichte der Mathematik in Rostock verdient gemacht. Lesenswert sind seine Beiträge in den Heften 27 und 60 des Rostocker Mathematischen Kolloquiums, einer Schriftenreihe, die Wolfgang Engel in den 1970er-Jahren begründet hat. Mit Blick auf das 600-jährige Jubiläum der Universität Rostock hat er bis ins hohe Alter die Untersuchungen zur Geschichte der Mathematik und der Fakultät vorangetrieben.

Durch zahlreiche Aufgaben und Funktionen während seiner langjährigen Tätigkeit in staatlichen Gremien und der universitären Selbstverwaltung, u. a. als langjähriger Direktor der Sektion Mathematik, Dekan und Prorektor der Universität, hat sich Wolfgang Engel Anerkennung und Respekt seiner Kollegen und Mitarbeiter erworben. Durch persönliche Integrität und diplomatisches Geschick gelang es ihm stets, ein angenehmes, kollegiales und erfolgreiches Arbeitsklima am Institut für Mathematik zu schaffen und den Blick auf die fachlichen Leistungen zu richten. Hierfür waren ihm seine Kollegen und Schüler stets dankbar.

Wolfgang Engel starb am 5. Oktober 2010 in Rostock.

Dieter Neßelmann

Der Autor – zu diesem Zeitpunkt Dekan der MNF – überreicht W. Engel anlässlich dessen 80. Geburtstags ein Glückwunschschreiben (Foto: K. Engel).
Der Autor – zu diesem Zeitpunkt Dekan der MNF – überreicht W. Engel anlässlich dessen 80. Geburtstags ein Glückwunschschreiben (Foto: K. Engel).