KALENDERBLATT APRIL 2019

Zur Entwicklung des Bereichs „Methodik des Biologieunterrichts“ von 1946 bis 1989 in Rostock

Der Beginn. Der Wissenschaftsbereich „Methodik des Biologieunterrichts“ - heute „Fachdidaktik Biologie“ - besteht als eine neue Struktur an der Universität Rostock seit dem 7. Oktober 1946. Die Biologie-Methodik wurde als eine Wissenschaft etabliert, die für das Vermitteln von biologischem Wissen im Kontext von Fähigkeitsentwicklung und erzieherischen Anliegen erforderlich ist. Neben Zoologie und Botanik mit Botanischem Garten war die Biologie-Methodik einer von drei eigenständigen Bereichen der Biologie, die 1946 in die Zukunft blickten.

Das Einrichten der Fach-Methodiken als eigenständige universitäre Strukturen in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) war mit dem Anspruch der Einheit von Forschung und Lehre verbunden. Dieser sollte in den nachfolgenden Jahren umgesetzt werden.

Als erster Dozent wirkte Dr. phil. Friedrich Trost (1891- ?) ab 1. Oktober 1946 in Rostock. Im Wintersemester 1947/48 wurden von Trost in alleiniger Regie u. a. folgende Lehrveranstaltungen im Rahmen der Biologie-Methodik durchgeführt: Geschichte des Biologieunterrichts (2 SWS), Schulbesuche und Unterrichtsversuche für Biologie (2 SWS), Einführung in das Wandtafelzeichnen im Biologieunterricht (1 SWS), Unsere Tier- und Pflanzenwelt in Sage, Geschichte und Brauch (1 SWS), Einführung in die Morphologie und Systematik der Tiere mit Übungen (1 SWS).

Der Übergang. Nach dem Ausscheiden von Dr. Trost 1948 wurde erst am 12. Mai 1949 mit Karlheinz Pfeiffer ein Assistent mit Lehrauftrag für den Bereich „Methodik des Biologieunterrichts“ eingestellt. Ab dem Wintersemester 1950/51 kam mit Rudolph Gottschalk ein weiterer Assistent aus der Zoologie hinzu. Nach seiner Promotion leitete Gottschalk den Bereich Biologie-Methodik. Dr. Gottschalk ging 1953 an die Humboldt-Universität zu Berlin. Ab dieser Zeit war Pfeiffer im Bereich Biologie-Methodik wieder auf sich allein gestellt. Lediglich die Lehrtätigkeit von Prof. George Langhans (1895-1972) im Bereich Biologie-Methodik zu Themen wie Schulhygiene (1 SWS) und Anatomie und Physiologie des Menschen (2 SWS) wirkten von 1952 bis 1955 ausbildungsunterstützend. 1957 wurde Pfeiffer nach erfolgter Promotion zum Dr. paed. zum Oberassistenten im Bereich Biologie-Methodik ernannt. Nach fast zehnjährigem Wirken an der Universität schied Dr. Pfeiffer 1958 aus der Biologie-Methodik aus.

Festzuhalten ist: Die biologiemethodische Ausbildung der Studierenden wurde von 1946 bis 1958 im Wesentlichen durch einen Mitarbeiter im Lehrauftrag bewerkstelligt. Die räumlichen und materiellen Bedingungen waren sehr schwierig und insgesamt nicht ausreichend. Wegen zu geringer Studierendenzahlen sollte 1953 der Bereich Biologie-Methodik geschlossen werden. Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen aus der Zeit 1946-1958 liegen kaum vor; außer der unveröffentlichten Dissertation von Dr. Pfeiffer und eines Zeitschriftenartikels von Dr. Gottschalk über „Das Ziel des Biologieunterrichts in den allgemeinbildenden Schulen“ in „Biologie in der Schule“ (1954).

Der Aufschwung. Im Sommersemester 1958 wurden mit Ingeborg Neumann und Kurt Lobeck (1932-1977) zwei Assistenten in der Biologie-Methodik eingestellt. Wegen steigender Studierendenzahlen wurde die Einstellung eines Dozenten angezielt. Mit Dr. rer. nat. Heinz-Werner Baer (1927-2009) wurde ein Didaktiker von der Universität Jena nach Rostock berufen. Ab dem 1. September 1959 arbeiteten erstmals drei Mitarbeiter in der Biologie-Methodik. Zudem erfolgte im Oktober 1959 durch die Verlegung des Bereichs vom Hauptgebäude in das Gebäude am Vogelsang 13/14 eine räumliche Verbesserung. Das erste Hochschullehrbuch der DDR zur Didaktik des Biologieunterrichts erschien 1962 in Berlin. Baer war einer der Autoren und zugleich auch für die Gesamtredaktion des Werkes verantwortlich. Der neuberufende Dozent Baer wurde vor diesem Hintergrund Ideengeber und Initiator für die biologiemethodische Forschung und Lehre in Rostock.

Einheit von Forschung und Lehre in der Biologie-Methodik. Baer habilitierte sich mit dem Thema Experimenteller Biologieunterricht - ein Beitrag zur Förderung des produktiven Lernens der Schüler (1964). Lobeck wurde 1962 zum Dr. paed. promoviert mit einer Arbeit zum Thema Biozönose Wald.

Inhaltliche Schwerpunkte der Rostocker biologiemethodischen Forschung von den 1960er- bis in die 1980er-Jahre waren:

  • Experimenteller Biologieunterricht und biologische Arbeitstechniken,
  • Sexualerziehung,
  • Bestimmung des Bildungsinhalts des Biologieunterrichts (Grundwissen- Bestimmungen) mit Expertenbefragungen,
  • Erprobung von Teilen des ermittelten Grundwissens im Unterricht,
  • Untersuchungen zur fachinneren und fachübergreifenden Koordination des Faches Biologie mit anderen Unterrichtsfächern unter dem Aspekt des Grundwissens,
  • Entwicklung von Lehrplänen, Schullehrbüchern und Medien für Lehrende und Lernende, besonders für die Jahrgangsstufe 8.
Heinz-Werner Baer (1927– 2009) (Foto: F. Horn, 2008).
Heinz-Werner Baer (1927– 2009) (Foto: F. Horn, 2008).

Baer wurde 1965 zum Professor mit Lehrauftrag berufen. Am 1. Juli 1968 wurde die Biologie-Methodik im Ergebnis der Dritten Hochschulreform als eigenständiger Wissenschaftsbereich (WB) der neu gebildeten Sektion Biologie in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zugeordnet. Damit war die Biologie-Methodik den anderen biologischen Bereichen in der Sektion hierarchisch gleichgestellt. Prof. Baer leitete die Sektion Biologie als erster Direktor ab 1968 über einen Zeitraum von vier Jahren. Ein Jahr später wurde er zum ordentlichen Professor für Biologie-Methodik berufen. Mit dem von ihm geleiteten WB Biologie-Methodik siedelte er vom Vogelsang 13/14 in das Gebäude Wismarsche Straße 8 um. Damit gab es eine erneute Verbesserung der Bedingungen für Lehre und Forschung. Mit der vorzeitigen Emeritierung von Prof. Dr. Baer zum Ende des Wintersemesters 1988/89 aus gesundheitlichen Gründen endete eine sehr erfolgreiche Phase der Rostocker Biologie-Methodik.

Als Resümee ist festzuhalten: Bis 1988 wurden im Bereich Biologie-Methodik etwa 30 Dissertationen abgeschlossen, viele Staatsexamens- und Diplomarbeiten angefertigt sowie eine große Anzahl von Büchern, Artikeln in Zeitschriften und Sammelbänden sowie Lehrerhandreichungen publiziert. Die Arbeit der Rostocker Biologie-Methodiker trug wesentlich dazu bei, das Bildungsniveau der Kinder und Jugendlichen mit entwickeln zu helfen. Ab den 1960er Jahren wurde systematisch neues Wissen kreiert, das auch international geschätzt wurde. Dies belegen unter anderem die vielen Lizenzausgaben der Bücher von Prof. Baer und seinen Mitarbeitern. Die Lehrerweiterbildung war ab 1959 ein wichtiges Anliegen der Biologie-Methodik. In den Schulferien wurde Kurse veranstaltet, die neue Erkenntnisse zum Fach und seiner Methodik an Lehrende des Faches Biologie vermittelten.

Mein Bezug zur Rostocker Biologie-Methodik und Prof. Dr. Baer ist ein dreifacher: Ich war einer seiner Lehramtsstudierenden von 1962 bis 1966. Nach Promotion und Habilitation in Berlin war ich einer seiner Fachkollegen. 1988 setzte mich Prof. Baer auf die Berufungsliste zur Neubesetzung des Lehrstuhls Biologie-Methodik. Jahre später wurde ich schließlich einer seiner Nachfolger in Rostock.

Frank Horn

Den ausführlichen Text zur Entwicklung der Biologie-Methodik finden Sie hier.

 

Quelle:

[1] R. Ahlgrimm: Die historische Entwicklung des Wissenschaftsbereiches Biologie-Methodik nach 1945 in Rostock. Diplomarbeit. Rostock: Wilhelm-Pieck-Universität Rostock, WB Biologie-Methodik, 1982.

[2] H.-W. Baer: Fachgebiet Methodik des Biologieunterrichts am Institut für Pädagogik Rostock. In: Biologie in der Schule 15 (1966) 6, S.264-268.

[3] A. Uhlig, H.-W. Baer, G. Dietrich, H. Fischer, J. Günther, P. Hopf, R. Loschan: .Didaktik des Biologieunterrichts. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1962.

[4] Eintrag zu Heinz-Werner Baer im Catalogus Professorum Rostochiensium:  purl.uni-rostock.de/cpr/00001661.